VZ-Analyse
Die US-Börsen feiern eine Rallye, getrieben von High-Beta-Aktien. Doch hinter den Kursgewinnen lauert eine Gefahr, die Privatanleger kennen müssen.
Autor: Patrick Herger / VZ VermögensZentrum
Die US-Börsen verzeichneten nach Donald Trumps jüngster Kehrtwende in der Zollpolitik erhebliche Kursgewinne. Doch ein Blick hinter die Kulissen deutet auf strukturelle Verzerrungen im Markt hin – Verzerrungen, die Privatanleger kennen sollten, um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Die aktuellen Kursgewinne werden massgeblich von sogenannten High-Beta-Aktien getragen. Diese Titel – in Haussephasen besonders gefragt – zeichnen sich durch überdurchschnittliche Schwankungen im Vergleich zum Gesamtmarkt aus. Ein Beta-Wert über 1 zeigt, dass eine Aktie stärker als der Markt schwankt – und in Boomphasen daher hohe Kursgewinne verspricht. In den letzten 30 Tagen haben zwölf US-Aktien aus dem S&P 500 mehr als 20 Prozent zugelegt – sieben davon mit einem Beta von über 2, das niedrigste Beta lag bei 1,7.
High-Beta-Aktien wirken in Rallyes wie ein Hebel: Sie ermöglichen überproportionale Gewinne. Doch hier lauert die Gefahr. Langfristig enttäuschen solche Titel oft. Studien zeigen, dass sie in Aufwärtsphasen glänzen, aber in Abschwüngen überproportional verlieren. Über mehrere Marktzyklen hinweg – also Hausse und Baisse – schneiden High-Beta-Aktien unter Berücksichtigung des Risikos schlechter ab als der Markt.
Warum Fondsmanager trotzdem auf riskante Titel setzen
Trotzdem greifen Fondsmanager aktiver Fonds häufig zu solchen Titeln. Ist das irrational? Nicht unbedingt. Zwei Faktoren erklären dieses Verhalten:
- Erstens: Die Leistung aktiver Fondsmanager wird kurzfristig beurteilt – meist quartalsweise und im Vergleich zur Benchmark. Eine temporäre Underperformance kann Bonuseinbussen oder sogar Karriereeinschnitte bedeuten. Der Druck, mit dem Markt Schritt zu halten, ist enorm. High-Beta-Aktien scheinen hier ein schneller Ausweg zu sein – vor allem nach Kursrückschlägen, wenn ein Manager Aufholbedarf hat.
- Zweitens: Als Faustregel gilt, dass sich die Börsen etwa zwei Drittel der Zeit in Aufwärtstrends befinden. Fondsmanager kalkulieren deshalb meist mit steigenden Kursen – und setzen bevorzugt auf Titel mit hohem Beta.
Das kurzfristig rationale Verhalten der Fondsmanager hat deswegen die oben erwähnte langfristige Konsequenz: Weil in Haussephasen High-Beta-Aktien überproportional nachgefragt werden, führt das in der Regel zu überhöhten Bewertungen – und damit langfristig zu geringeren Renditen. Der breite Markt hingegen liefert auf Dauer die bessere risikobereinigte Performance – nur eben nicht schnell genug, um den kurzfristigen Anforderungen institutioneller Anreiz- und Vergütungssysteme zu genügen.
Das Resultat ist ein strukturelles Paradoxon: Ausgerechnet die Strategie mit dem besten langfristigen Risiko-Rendite-Profil – das breit gestreute Marktinvestment – wird von vielen Fondsmanagern vernachlässigt. Nicht aus Unkenntnis, sondern weil die Anreizstrukturen dagegenstehen.
Ein strukturelles Problem – und was es für Privatanleger bedeutet
Die chronische Übergewichtung und Überbewertung von High-Beta-Titeln ist letztlich eine direkte Folge institutioneller Sachzwänge. Insbesondere nach Marktrückschlägen greifen viele Manager verstärkt zu riskanteren Titeln, um verlorenen Boden gutzumachen – High-Beta-Aktien sollen dabei als «Rendite-Turbo» dienen.
Solange Erfolg und Vergütung im Finanzsektor kurzfristig gemessen werden, wird sich dieses Muster wiederholen. Die aktuelle Rallye, getrieben von High-Beta-Aktien, ist verführerisch – doch die Geschichte zeigt: Auf lange Sicht entpuppen sich solche Titel oft als riskantes Terrain. Für langfristig orientierte Privatanleger gilt daher: Dem schon stark beschleunigten High-Beta-Zug nachzujagen, birgt erhebliche Gefahren.
Stattdessen liegt die sinnvollere Strategie auf der Hand: Ein langfristiger Anlagehorizont kombiniert mit dem Kauf breit diversifizierter, kostengünstiger Indexfonds und ETFs. Dieser Ansatz vermeidet institutionelle Anreizverzerrungen, senkt die Risiken – und liefert das langfristige Marktwachstum direkt ins Portfolio.