VZ-Analyse

Die lange Krise der Small-Caps – und was das für Investoren bedeutet

Kleine Unternehmen gelten traditionell als die risikoreicheren, aber auch profitableren Investments. Doch seit über einem Jahrzehnt bringen Small-Cap-Aktien nicht mehr die Renditen von früher. Eine Analyse der Ursachen.

7. Apr. 2025

Autor: Patrick Herger / VZ Asset Management

Das erste Quartal 2025 hat die Risiken von Aktien kleinerer Unternehmen, oft als Small-Cap-Aktien bezeichnet, deutlich vor Augen geführt. Der MSCI World Small Cap Index verlor 14 Prozent, während der MSCI World Large Cap Index nur um 8 Prozent zurückging. Dieser Abstand mag überraschen, ist jedoch nicht unerwartet.

Kleinere Unternehmen verfügen nicht über die Skalenvorteile und die Widerstandskraft grosser Konzerne, was sie anfälliger macht, wenn technologische Umwälzungen, harter Wettbewerb oder eine Rezession den Markt erschüttern. Historisch gesehen wurde dieses zusätzliche Risiko durch höhere langfristige Renditen ausgeglichen – eine Belohnung für mutige Investoren. So erzielte der MSCI World Small Cap Index seit Anfang 2000 eine jährliche Rendite von 8,5 Prozent (bei reinvestierten Dividenden), verglichen mit nur 5,2 Prozent bei Large Caps.

Die letzten zehn Jahre zeichnen jedoch ein anderes Bild. Während Large Caps mit einer jährlichen Rendite von 11 Prozent glänzten, blieben Small Caps mit 7,9 Prozent zurück. Diese Umkehrung deutet auf einen Wandel hin: Wenn Innovation und Wettbewerb nachlassen, schwindet auch die Schöpferische Zerstörung. In diesem Fall werden Small Caps weniger riskant – und erfordern daher nicht mehr die hohen Renditen von früher.
 

Weniger Innovation und sinkender Wettbewerbsdruck

Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass kleinere Unternehmen heute weniger von Innovation und Wettbewerb herausgefordert werden als früher. Zwei Drittel der im S&P 500 enthaltenen Firmen vermerken in ihren Geschäftsberichten keine Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Und selbst wenn geforscht wird, zeigt sich eine risikoscheue Haltung.

Patentanalysen belegen, dass die Originalität von Patenten abgenommen hat. Die Anmeldungen sind enger gefasst und konzentrieren sich auf etablierte Bereiche – ein Zeichen dafür, dass es vor allem um Modifikationen statt um bahnbrechende Neuerungen geht. Diese Zurückhaltung führt dazu, dass weniger disruptive Bedrohungen entstehen, die Small Caps unter Druck setzen könnten.

Gleichzeitig hat der Wettbewerbsdruck, einst ein gnadenloser Eliminierungsfaktor für kleine Unternehmen, spürbar nachgelassen. In den 1980er-Jahren lag die Gründungsrate neuer Unternehmen in den USA bei etwa 13 Prozent, was einen stetigen Zustrom neuer Marktteilnehmer und damit Prozesse der Schöpferischen Zerstörung auslöste. Bis 2015 sank diese Rate auf unter 8 Prozent – ein Trend, der sich laut Daten des Census Bureau fortsetzt.
 

Staatliche Unterstützung und begrenzte Wachstumsperspektiven

Parallel dazu sind die Investitionen im Verhältnis zum BIP in den Industrienationen über die Jahre gesunken. Diese Entwicklung signalisiert nicht nur begrenzte Wachstumsperspektiven, sondern auch eine abnehmende wirtschaftliche Dynamik.

Interessanterweise fiel die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in jüngeren Rezessionen – etwa während der Finanzkrise 2008/2009 oder der Pandemie 2020 – deutlich geringer aus als in den wirtschaftlichen Abschwüngen des vergangenen Jahrhunderts. Selbst sogenannte «Zombie-Unternehmen», also Firmen, die Zinszahlungen für ihre Schulden nicht aus operativen Gewinnen decken können, überlebten dank grosszügiger Staatshilfe.

Diese staatlichen Interventionen haben auch für kleinere Unternehmen das Risiko reduziert, in Krisenzeiten aus dem Markt gedrängt zu werden. Sollten Finanzmarktakteure davon ausgehen, dass solche Unterstützungsmassnahmen mittlerweile nahezu institutionalisiert sind, sinkt das Risiko, das Small Caps zugeschrieben wird.

Was bedeutet das für 2025 und darüber hinaus? Ohne eine plötzliche Wiederbelebung von Innovation oder Wettbewerb – etwa durch beschleunigten technischen Fortschritt, neue Investitionschancen oder strengere Gläubiger – dürften Small Caps weiterhin enttäuschen. Sollte die Schöpferische Zerstörung jedoch wieder an Fahrt aufnehmen, könnte sich das positiv auf die Performance der Small Caps auswirken. Ob und wann die hohen Renditen der Vergangenheit zurückkehren, bleibt jedoch ungewiss.