Versicherungen

"Ich helfe, das Machtgefälle auszugleichen"

Probleme mit Versicherungen? Martin Lorenzon kann helfen: Er ist Ombudsman von Privatversicherungen und SUVA. Ein Gespräch über die Rechte der Versicherten und darüber, was sich noch verbessern müsste.

 

Herr Lorenzon, Sie treten seit Jahren für die Anliegen der Versicherten ein. Wie sind Sie versichert?

(lacht) Auto, E-Roller, Hausrat, Haftpflicht, Krankenkasse, Reise- und Rechtsschutz: Ich bin ziemlich gut geschützt, aber nicht überversichert.

Sind Versicherte in der Schweiz in einer schwachen Position?

Zwar nicht mehr so wie früher, aber wer liest schon alles Kleingedruckte, oder wer kann sich wehren, wenn Änderungen der Versicherungsbedingungen ins Haus flattern. Als Ombudsman helfe ich, das Macht- und Wissensgefälle auszugleichen.

Wie machen Sie das?

Bei uns landen die Streitfälle zwischen den Versicherern und ihrer Kundschaft. Wir schützen die Rechte der Kunden, indem wir schlichten, vermitteln, beraten und argumentieren – ohne eine Seite zu bevorzugen. Die Ombudsstelle muss neutral und gerecht bleiben. Wir können aber nur eingreifen, wenn die Versicherten noch keine juristischen Schritte eingeleitet haben. Wenn eine Versicherungsgesellschaft in einem bestimmten Fall schon eine Verfügung erlassen hat, sind uns die Hände gebunden.

Was sind typische Streitfälle?

Wenn man zum Beispiel im Ausland strandet, weil die WHO eine Pandemie ausruft und der Reiseversicherer die zusätzlichen Kosten nicht übernehmen will. Oder wenn Unfallversicherer die Behandlung einer Sportverletzung ablehnen, weil es sich bei den Beschwerden um eine Krankheit handle. Letztes Jahr haben wir 2700 Anliegen behandelt. Wenn wir intervenieren, können wir für eine Mehrheit der Versicherten eine gütliche Lösung finden.

Sie haben sich dafür eingesetzt, dass das Versicherungsvertragsgesetz konsumentenfreundlicher wird – mit Erfolg: Was hat seit 1. Januar 2022 geändert?

Eine wichtige Anpassung ist das Widerrufsrecht, also das Recht, von einem Vertrag zurückzutreten. Neu haben Versicherte eine Bedenkfrist von vierzehn Tagen, um eine Police zu hinterfragen, eine Zweitmeinung einzuholen oder den Vertrag ohne Verpflichtung zu kündigen. Vorher gab es das nicht. Das führte immer wieder zu Problemen, weil etwa viele junge Erwachsene vorschnell eine Lebensversicherung abschlossen, die dann 10 oder gar 40 oder 45 Jahre lang läuft.

Was hat sich noch verbessert?

Ausser Lebensversicherungen können Verträge nach drei Jahren gekündigt werden, auch wenn sie fünf oder zehn Jahre lang laufen. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Versicherte können aus dem Vertrag aussteigen, wenn sie den Schutz nicht mehr benötigen oder ein günstigeres Angebot finden. Trotz solcher Verbesserungen gibt es noch Punkte, die korrigiert werden müssten.

Zum Beispiel?

Gemischte Lebensversicherungen sind immer noch zu wenig transparent. Oft ist nicht klar, wie viel die Absicherung kostet, wie viel im Spartopf landet und was als Provision abfliesst. Hier sollte die Informationspflicht der Versicherer verschärft werden.

Zur Person

Martin Lorenzon hat Rechts­wissenschaften an der Univer­sität St. Gallen (HSG) studiert. Er ist Rechtsanwalt und seit 2010 Ombudsman der Privatversicherungen und der Suva. Detaillierte Informationen finden Sie unter: www.versicherungs­ombudsman.ch