VZ-Analyse
Elon Musk prognostiziert für Tesla eine 1000-prozentige Steigerung des Gewinnwachstums in den nächsten fünf Jahren. Ein Blick darauf, wie realistisch Musks Pläne sind.
Autor: Patrick Herger / VZ Asset Management
Die operativen Probleme bei Tesla sind unübersehbar. 2024 verzeichnete das Unternehmen erstmals seit über einem Jahrzehnt einen Rückgang der Auslieferungen, und dieser Trend setzt sich fort. Sinkende Verkaufszahlen in Schlüsselmärkten wie Europa und China belasten die Bilanz. In Deutschland sanken die Neuzulassungen 2024 um 40 Prozent. Gleichzeitig schrumpfen die Margen: Hohe Preisnachlässe und steigende Produktionskosten haben die Margen auf den niedrigsten Stand seit Jahren gedrückt.
Analysten sehen darin ein strukturelles Problem: Tesla verliert seine Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten wie BYD, die günstigere und modernere Modelle anbieten. Ohne eine strategische Neuausrichtung droht ein Teufelskreis aus sinkenden Einnahmen und weiterem Margenverlust.
Cybertruck: Vom Hoffnungsträger zur Belastung
Neue Produkte sind dringend erforderlich, denn auch der Cybertruck brachte nicht den erwarteten Erfolg. Mit über einer Million Vorbestellungen galt das Riesengefährt als Symbol für Teslas Innovationskraft. Doch bis März 2025 wurden nur 2,5 Prozent der Reservierungen in tatsächliche Käufe umgewandelt. Produktionsprobleme, Qualitätsmängel und ein deutlich höherer Endpreis als angekündigt haben den Cybertruck zur Belastung gemacht.
Hohe Bewertung, hohe Erwartungen
Trotz dieser Herausforderungen bleibt Teslas Marktbewertung enorm hoch. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 144 übertrifft nicht nur klassische Autobauer wie Toyota (KGV um 10), sondern auch Technologiegiganten wie Apple (KGV um 35). Diese Bewertung spiegelt die Erwartung der Investoren an ein weiterhin aussergewöhnliches Wachstum. Doch wie realistisch ist das?
Elon Musk prognostiziert, dass Tesla 2029 knapp 80 Milliarden Dollar Gewinn erwirtschaften wird. Bei einer Nettomarge von 10 Prozent entspräche das einem Umsatz von rund 800 Milliarden Dollar. Bei einem durchschnittlichen Fahrzeugpreis von 40.000 Dollar müsste Tesla also 20 Millionen Fahrzeuge verkaufen – ein enormer Sprung von den 1,8 Millionen Auslieferungen im Jahr 2024.
Ein weniger drastisches Szenario sieht vor, dass Tesla bis 2029 etwa 7 Millionen Fahrzeuge verkauft und die Gewinnmargen halten oder wieder steigern kann. Doch selbst dieses gemässigtere Szenario halten viele Analysten für unrealistisch, da die Konkurrenz die Preise drückt, was Teslas Umsatzwachstum und Margen belastet. Um trotzdem den aktuellen Aktienkurs zu rechtfertigen, muss Tesla zusätzliche Gewinne aus anderen Geschäftsbereichen generieren.
Cybercab: Vision oder Luftschloss?
Tesla-Fans verweisen auf Elon Musks Plan, ein autonomes Taxi-Netzwerk («Cybercab») aufzubauen. Potenzielle Umsätze aus diesem Geschäftsbereich sind eine zentrale Säule vieler Wachstumsprognosen. Doch bisher prallen Vision und Realität hart aufeinander. Tesla setzt auf Kameras, während Konkurrenten wie Waymo zusätzlich auf Lidar-Technologie setzen. Lidar (Light Detection and Ranging) misst Entfernungen durch Laserpulse und erstellt präzise 3D-Karten der Umgebung. Waymo kombiniert Lidar mit Kameras und Radar für zuverlässiges autonomes Fahren, selbst bei Dunkelheit oder Nebel.
Experten sehen im Verzicht auf Lidar einen erheblichen Nachteil für Tesla. Denn während Waymo bereits 200’000 bezahlte autonome Fahrten pro Woche durchführt, kämpft Teslas Full Self-Driving (FSD) noch immer mit Kinderkrankheiten. Die Ankündigung, das Cybercab bis 2026 in Massenproduktion zu bringen, erscheint vor diesem Hintergrund ambitioniert bis unrealistisch.
Fazit: Wette auf die Zukunft
Musk verspricht extremes Wachstum, doch die Fundamentaldaten zeichnen aktuell ein anderes Bild. Sinkende Margen, schwächelnde Verkaufszahlen und fragwürdige Projekte wie der Cybertruck wecken Zweifel an der gewinnträchtigen Realisierbarkeit von Musks Plänen. Tesla bleibt eine Wette auf die Zukunft – insbesondere darauf, dass neben dem Elektroautogeschäft neue, lukrative Einnahmequellen entstehen. Investoren stehen damit vor der Frage: Weiter auf Musks Vision vertrauen oder abwarten, bis sich der Nebel lichtet?