BVG-Reform: Das müssen Sie wissen
Am 22. September kommt die BVG-Reform zur Abstimmung. Wird sie angenommen, ändert sich für Erwerbstätige und Arbeitgeber einiges. Manche Versicherte erhalten dann eine höhere Rente, andere wiederum eine tiefere. Für viele Unternehmen hätte die Reform höhere Kosten zur Folge.
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Um was geht es bei der BVG-Reform?
Das "Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge" (BVG) und damit auch die Pensionskassen stehen immer stärker unter Druck. Die Menschen in der Schweiz werden immer älter und beziehen daher immer länger eine Rente. Zugleich warfen die von den Pensionskassen investierten Gelder über Jahre zu wenig Rendite ab. Trotzdem ist der gesetzliche Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium kaum gesunken.
In der Folge reicht das individuell angesparte Altersguthaben nicht mehr, um die versprochene Rente während der gesamten Lebensdauer nach der Pensionierung zu finanzieren. Um ihre Renten trotzdem auszahlen zu können, verteilen die Pensionskassen Vermögen um – etwa von Erwerbstätigen zu Rentnern. Diese Umverteilung ist ein Verstoss gegen die Grundidee der beruflichen Vorsorge.
Hinzu kommt, dass viele Teilzeitarbeitende heute gar nicht oder nur ungenügend im BVG abgesichert sind. Nur wer mindestens 22'050 Franken im Jahr verdient, ist überhaupt in einer Pensionskasse versichert. Zudem führt der sogenannte Koordinationsabzug dazu, dass oft nur ein kleiner Teil des Lohnes versichert ist. Vor allem Frauen sind davon betroffen. Denn oft sind sie es, die in einem reduzierten Pensum arbeiten – und so weniger verdienen und weniger fürs Alter vorsorgen.
Ein weiteres Problem: Ältere Arbeitnehmende kommen die Firmen teurer zu stehen. Ihre Pensionskassenbeiträge liegen deutlich über jenen von jüngeren Arbeitnehmern. Für einen 25-Jährigen beispielsweise beträgt der Sparbeitrag lediglich 7 Prozent des versicherten Lohns, für einen 55-Jährigen liegt er bei 18 Prozent.
Diese Probleme will die BVG-Reform alle angehen. Kommt sie bei der Stimmbevölkerung durch, würde der Mindestumwandlungssatz, mit dem das Altersguthaben in eine Rente umgerechnet wird, gesenkt. Eine Übergangsgeneration bekäme Rentenzuschläge. Teilzeitarbeitende wären besser abgesichert. Jüngere Erwerbstätige müssten prozentual mehr in die Pensionskasse einzahlen als heute, ältere weniger.
Was ändert sich mit der BVG-Reform?
Bund und Parlament haben im Rahmen der Reform die folgenden Massnahmen beschlossen:
Umwandlungssatz
Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz im Obligatorium soll von 6,8 auf 6 Prozent sinken. Bei einem Altersguthaben von 100'000 Franken gäbe es also jährlich nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente. Das entspräche einer Rentenkürzung von knapp 12 Prozent. Allerdings sind die allermeisten Erwerbstätigen zusätzlich im Überobligatorium versichert, wo die Pensionskassen tiefere Umwandlungssätze anwenden dürfen. Ihre Renten werden daher heute schon mit einem Mischsatz berechnet, der meistens deutlich unter 6 Prozent liegt. Das ist zulässig, sofern die Rente, die sich durch den Mischsatz auf dem ganzen Alterskapital ergibt, mindestens so hoch ist wie die Rente auf dem obligatorischen Guthaben gerechnet mit dem gesetzlichen Mindestumwandlungssatz.
Von einer Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes betroffen wären vor allem Personen, die ausschliesslich oder fast nur obligatorisches Altersguthaben besitzen. Die Höhe des obligatorischen Guthabens finden Versicherte in ihrem persönlichen PK-Ausweis. Es wird dort oft als «Altersguthaben gemäss BVG» bezeichnet.
Angenommen, ein Versicherter spart bis zu seiner Pensionierung 300'000 Franken an, 250'000 Franken davon im Obligatorium und 50'000 Franken im Überobligatorium. Seine Pensionskasse wendet einen Umwandlungssatz von 5,3 Prozent auf das gesamte Guthaben an. Das ergäbe theoretisch eine jährliche Rente von 15'900 Franken (300'000 Franken x 5,3 Prozent).
Weil diese Rente aber tiefer ist als die gesetzliche Mindestrente, die in diesem Fall 17'000 Franken beträgt (250'000 Franken x 6,8 Prozent), muss die Pensionskasse die Rente auf diesen Betrag aufstocken. Mit der BVG-Reform müsste sie das nicht mehr, weil die gesetzliche Mindestrente dann nur noch 15'000 Franken betrüge (250'000 Franken x 6,0 Prozent). Dieser Versicherte erhielte aufgrund des tieferen Mindestumwandlungssatzes also dereinst 1100 Franken weniger Rente pro Jahr ausbezahlt.
Wer bereits heute eine Rente bezieht, muss keine Einbusse befürchten durch die BVG-Reform. Eine einmal ausbezahlte Rente darf nicht gekürzt werden.
Rentenzuschläge
Da der tiefere Umwandlungssatz zu Einbussen führen kann, sollen die ersten 15 Jahrgänge nach Inkrafttreten der BVG-Reform als Kompensation einen lebenslangen Rentenzuschlag erhalten. Dieser Zuschlag beträgt für die ersten fünf betroffenen Jahrgänge bis zu 200 Franken pro Monat. Bei den danach folgenden fünf Jahrgängen sind es bis zu 150 Franken im Monat, danach maximal 100 Franken im Monat. Den vollen Zuschlag bekommt aber nur, wer nicht mehr als 220'500 Franken in der Pensionskasse angespart hat (inkl. vorzeitige Kapitalbezüge, z.B. für den Kauf von Wohneigentum). Von 220'500 bis 441'000 Franken Altersguthaben sinken die Rentenzuschläge, je höher das in der Pensionskasse angesparte Guthaben ist. Wer über mehr als 441'000 Franken Kapital verfügt, geht leer aus. Ebenso Versicherte, die sich mehr als die Hälfte ihres Altersguthabens auszahlen lassen statt es als Rente zu beziehen.
Von den Rentenzuschlägen würden alle Versicherten der Übergangsgeneration profitieren, die die entsprechenden Anspruchskriterien erfüllen – selbst wenn sich ihre Rente durch die Reform nicht verschlechtert. Berechnungen vom VZ zeigen: Dank dem Zuschlag bekämen manche Versicherte der Übergangsgeneration eine höhere Rente als ohne Reform. Andere müssen trotz Zuschlägen mit einer tieferen Rente rechnen (siehe weiter unten).
Die Rentenzuschläge verursachen Kosten von rund 0,8 Milliarden Franken im Jahr, über die 15 Jahre der Übergangsgeneration total also rund 11,3 Milliarden Franken. Schultern müssten diese Kosten hauptsächlich die Arbeitgeber und Erwerbstätigen über zusätzliche Beiträge in den nationalen Sicherheitsfonds BVG. Weil damit die Erwerbstätigen zum Teil die Renten der bereits Pensionierten finanzieren, stellt dies eine systemwidrige Umverteilung von Jung zu Alt dar.
Eintrittsschwelle und Koordinationsabzug
Die Eintrittsschwelle für die obligatorische berufliche Vorsorge soll von heute 22'050 Franken auf 19'845 Franken sinken. Dadurch wären mehr Teilzeitarbeitende mit kleinem Arbeitspensum oder Personen mit mehreren Arbeitgebern künftig auch im BVG versichert. Hat jemand zwei Teilzeitjobs und verdient an beiden Orten unter 22'050 Franken, ist sie zurzeit nicht obligatorisch versichert. Das gilt auch, wenn ihr Gesamteinkommen weit über 22'050 Franken liegt.
Eine weitere Massnahme der Reform betrifft den fixen Koordinationsabzug: Er soll durch einen variablen ersetzt werden, bei dem bis zum Jahreslohn von maximal 88’200 Franken im Jahr immer 80 Prozent des Lohns versichert sind. Der Koordinationsabzug wäre dadurch indirekt auch vom Teilzeitgrad abhängig. Beträgt der AHV-Lohn zum Beispiel 30'000 Franken, sind derzeit nur 4275 Franken im BVG versichert, also rund 14 Prozent des AHV-Lohnes. Mit der Reform würde der versicherte Lohn auf 24'000 Franken steigen (siehe Tabelle).
Von diesen beiden Massnahmen würden vor allem Teilzeitarbeitende, Geringverdienende und Mehrfachangestellte profitieren, die neu mit einem höheren Lohn versichert wären. Sie würden mehr Geld für ihre Pensionierung sparen und wären besser abgesichert bei einer Invalidität oder im Todesfall. Gleichzeitig hätten sie jedoch höhere Lohnabzüge und somit auch einen tieferen Nettolohn, weil der Arbeitgeber nur die Hälfte der zusätzlichen Pensionskassenbeiträge übernehmen muss. Die meisten Pensionskassen haben bereits heute teilzeitfreundliche Regelungen, indem sie zum Beispiel den Koordinationsabzug proportional dem Beschäftigungsgrad anpassen.
Sparbeiträge
Die BVG-Reform sieht vor, die Altersgutschriften flacher zu staffeln und die Anzahl Stufen von vier auf zwei zu reduzieren. Für ältere Erwerbstätige würde das künftig tiefere Sparbeiträge bedeuten als heute, was sie günstiger und damit attraktiver für den Arbeitsmarkt machen soll. Bei Arbeitskräften zwischen 25 und 44 Jahren sollen neu 9 Prozent vom Lohn abgezogen werden, zwischen 45 und 65 Jahren sind es 14 Prozent. Eine 65-jährige Arbeitnehmerin wäre damit künftig aus Sicht der Arbeitgeber gleich teuer wie ein 45-jähriger Arbeitnehmer.
Wird die BVG-Reform angenommen, dürfen Arbeitgeber also die Spargutschriften ihrer über 55-jährigen Mitarbeitenden von 18 auf 14 Prozent senken. Das werden aber längst nicht alle Firmen tatsächlich auch tun. Behalten sie die höheren Spargutschriften bei, können sie das als attraktive Lohnnebenleistung bewerben. In Zeiten des Fachkräftemangels helfen überdurchschnittliche Pensionskassenleistungen, auf dem Arbeitsmarkt Talente für sich zu gewinnen und langfristig im Betrieb zu halten.
Steigen oder sinken die Renten mit der BVG-Reform?
Für alle bereits Pensionierten ändert die BVG-Reform nichts. Auch wenn die Vorlage angenommen wird, bleiben ihre Renten gleich hoch wie bisher. Betroffen wären nur künftige Rentnerinnen und Rentner. Haben sie mit der Reform im Alter mehr oder weniger Geld im Portemonnaie? Das VZ VermögensZentrum hat im Rahmen einer Studie zur BVG-Reform anhand mehrerer Beispiele berechnet, wie sich die geplanten Massnahmen auf die Renten auswirken werden.
So könnte eine 60-jährige Person, die Vollzeit arbeitet und bei der Pensionierung mit den heutigen Regelungen ein Pensionskassenguthaben von rund 548'000 Franken angespart hat, nach der BVG-Reform jährlich 2669 Franken bzw. monatlich 222 Franken weniger Rente bekommen (siehe letztes Beispiel in der Tabelle unten). Aufgrund ihres hohen Guthabens von mehr als 441'000 Franken bekommt sie keinen Rentenzuschlag. Zudem sinken ihre Altersgutschriften von 18 auf 14 Prozent. Die versicherte Person kann so bis zur Pensionierung weniger Altersguthaben aufbauen.
Anders sieht es bei einer anderen 60-jährigen Person aus, die lediglich in einem 45-Prozent-Pensum arbeitet (Beispiel 2 in der Tabelle). Sie spart mit der Reform bis zur Pensionierung etwas mehr Altersguthaben an, weil ihr versicherter Lohn wegen des kleineren Koordinationsabzuges grösser wird. Das reicht aber trotzdem nicht, um die Renteneinbusse wegen des tieferen Umwandlungssatzes im Obligatorium wettzumachen. Da diese Person bis zur Pensionierung weniger als 220'500 Franken in der Pensionskasse angespart hat, profitiert sie aber vom vollen Rentenzuschlag von jährlich 2400 Franken und erhält so unter dem Strich 2103 Franken mehr Rente pro Jahr als vor der Reform.
Die Beispiele in der Tabelle zeigen: Wer bis zu seiner Pensionierung weniger Geld angespart hat in der Pensionskasse, könnte dank der BVG-Reform mit einer höheren Rente rechnen. Versicherte mit höheren Altersguthaben hingegen würden im Alter weniger Geld erhalten. Ob und wie sich die Reform auf eine Rente auswirkt, hängt aber letztlich von vielen Faktoren ab, u.a. auch vom versicherten Lohn, von den Sparbeiträgen, vom Umwandlungssatz der Pensionskasse und davon, ob man einen Rentenzuschlag bekommt.
Unabhängig von der Reform ist heute schon klar, dass die Pensionskassen ihre Renten in den kommenden Jahren weiter reduzieren müssen. Zudem muss man damit rechnen, dass die Rente über die Jahre an Wert verliert. Denn anders als in der AHV haben in den letzten Jahren die wenigsten Pensionskassen die Teuerung auf ihren Altersrenten ausgeglichen.
Deshalb ist es wichtig, dass man selbst aktiv wird und sich früh genug um seine Altersvorsorge kümmert. Eine Fachperson vom VZ kann Ihnen aufzeigen, was die Reform konkret für Sie bedeutet und wie Sie sich richtig auf Ihre Pensionierung vorbereiten. Oder informieren Sie sich an einem unserer Webinare oder Workshops über die Details und Folgen der BVG-Reform.
Welche Folgen hat die BVG-Reform für Arbeitgeber?
Wenn die BVG-Reform an der Urne angenommen wird, kommen auf viele Firmen Anpassungen und zusätzliche Kosten in der Pensionskasse zu. Ob und wie viel genau, kommt sehr darauf an, welche Angestellten die Firma beschäftigt und wie sie versichert sind.
Eine tiefere Eintrittsschwelle kann für eine Firma bedeuten, dass künftig mehr Angestellte versichert sind als heute. Auch die geplante Anpassung des Koordinationsabzugs könnte die Vorsorge verteuern. Zudem würden die Sparbeiträge von jüngeren Versicherten steigen, jene der Älteren sinken. In Franken können die Beiträge in Einzelfällen allerdings höher ausfallen, auch wenn sie prozentual abnehmen. Grund dafür ist der höhere versicherte Lohn aufgrund des neuen Koordinationsabzugs.
Beteiligen müssten sich Unternehmen auch an der Finanzierung der vorgesehenen Rentenzuschläge für die Übergangsgeneration. Dazu sollen zusätzliche Beiträge an den nationalen Sicherheitsfonds BVG erhoben werden, die paritätisch zu bezahlen wären, also mindestens zur Hälfte durch den Arbeitgeber.
Die Reform dürfte voraussichtlich frühestens 2027 in Kraft treten. Firmen sollten die individuellen Auswirkungen der Reform aber frühzeitig im Detail prüfen lassen, damit notwendige Anpassungen an der aktuellen Vorsorgelösung rechtzeitig vorgenommen werden können. Das sind mögliche Stossrichtungen, wie Sie die Vorsorge Ihrer Firma attraktiver machen können:
- Sie verzichten freiwillig darauf, die Sparbeiträge der älteren Mitarbeitenden zu senken.
- Sie führen Wahlpläne ein: So können die Mitarbeitenden selbst entscheiden, wie hoch ihre PK-Sparbeiträge sein sollen.
- Mit einem langfristigen ETF-Sparplan für Mitarbeitende können Sie die private Vorsorge von ausgewählten Fachkräften fördern, um sie an Ihre Firma zu binden.
- Sie führen eine Zusatzvorsorge ein (1e-Pläne). Damit können die Versicherten individuell einen grösseren Teil in Aktien investieren – und so längerfristig von einer höheren Performance auf dem Vorsorgeguthaben profitieren. Gleichzeitig sinken Ihre Kosten und das Risiko einer Unterdeckung.
Sie wollen Ihr Unternehmen gut auf die BVG-Reform vorbereiten? Lassen Sie berechnen, wie sich Ihre Kosten mit der Reform verändern und was Sie anpassen müssen. Oder sprechen Sie mit einer Fachperson im VZ in Ihrer Nähe. Das VZ analysiert und optimiert jedes Jahr Vorsorgelösungen von über 600 Unternehmen. Durch eine regelmässige Überprüfung und die richtige Wahl der Vorsorgeeinrichtung können Firmen die Flexibilität steigern und Kosten sparen.