Geldanlagen

Geld anlegen: Glauben Sie keine Märchen

Erwin Heri ist Professor für Finanztheorie und hat viele Jahre im Banken- und Versicherungssektor gearbeitet. Ein Gespräch über Geld und wie man es für die Zeit nach der Pensionierung sinnvoll anlegt.

Herr Heri, mit Ihrer Ausbildungsplattform Fintool.ch wollen Sie die Bevölkerung motivieren, sich mehr um ihre Finanzen zu kümmern.

Viel mehr als das: Ich will sie wachrütteln! Unsere Studien zeigen, dass die meisten zu wenig über Finanzen wissen. In der Schule wird das nicht erklärt. Viele verlieren darum Geld oder sind frustriert, wenn ihr Vermögen nicht wächst. Das ist aber die Voraussetzung, um die Finanzen nach 65 vernünftig zu planen. Wir wissen ja nicht, wie es der Vorsorge künftig gehen wird.

Was wird am meisten unterschätzt?

Beim Geldanlegen lassen sich viele zum Beispiel von Fantasie-Renditen blenden. Sie glauben etwa an das Märli, man könne den Markt schlagen. Die meisten Fondsmanager schaffen es aber nicht einmal, die Marktrendite zu erreichen – geschweige denn, besser als der Markt zu sein.

Soll man also einen Bogen um die Börse machen?

Im Gegenteil: Man sollte immer investiert sein und nicht auf den richtigen Zeitpunkt warten – den gibt es nicht. Noch wichtiger ist es, dass man sich zuerst fragt: Was sind meine Verpflichtungen, wie viel brauche ich, um etwa die Küche zu sanieren, die Ausbildung der Kinder zu finanzieren oder finanzielle Lücken im Alter zu schliessen? Dementsprechend unterschiedlich sollte man investieren und zum Beispiel den Teil, den man zehn Jahre und länger nicht braucht, in Aktien anlegen.

Das ist mit Risiken verbunden.

Kurzfristig schwanken die Märkte und in einer Krise kann man vorübergehend Taucher erleben. Aber wir reden hier von langfristigen Anlagen. Ich denke nicht an Einzeltitel, sondern an ausgewogene Depots mit passiven Fonds wie ETF und Indexfonds. Damit sind die Risiken breit gestreut und die Kosten erträglicher. Auch denke ich vor allem an Anlegerinnen und Anleger, die nicht jedem Trend hinterherlaufen, sondern an ihrer Anlagestrategie festhalten. Mit einer langfristigen Strategie ist eine Marktrendite von rund fünf Prozent pro Jahr realistisch.

Warum lassen trotzdem so viele ihr Geld auf dem Sparkonto?

Weil ihnen eben die finanziellen Grundkenntnisse fehlen: Sie glauben, dass sich ihr Geld auf dem Konto vermehrt. Doch wegen der Teuerung und der Steuern kann man auf einem Konto langfristig nur Geld verlieren.

Wie wollen Sie Sparerinnen und Sparern die Angst vor der Börse nehmen?

Ich zeige Fakten und Zusammenhänge auf. An der Börse wird mit realen Firmen gehandelt, die reale Gewinne erwirtschaften. Sie stellen Dinge her, die wir brauchen, und schaffen neue Dinge, die unser Leben verbessern. Wenn eine Firma einen schlechten Job macht, geht sie unter, und eine andere nimmt ihren Platz ein. So regenerieren sich die Aktienmärkte ständig und bleiben über Generationen hinweg effizient und ertragreich. Darum: Wer langfristig investiert, wird belohnt – das sollte man sich für die Pensionierung zunutze machen.

Zur Person

Erwin W. Heri ist Professor für Finanztheorie an der Universität Basel und am Swiss Finance Institute in Zürich. Er ist Gründungsmitglied der Finanzausbildungsplattform www.fintool.ch. Heri hat viel Erfahrung aus der Praxis – unter anderem als Leiter einer Privatbank, als Vorsitzender der Anlagekommission der Bundespensionskasse und als Finanzchef der ehemaligen Winterthur Versicherungsgruppe.