Kontrolle über sein digitales Erbe behalten
Unsere digitalen Spuren bleiben bestehen, wenn wir sterben. Darum sollte man regeln, was mit den eigenen Daten passiert, sagt Cordula Lötscher, Professorin, Buchautorin und nebenamtliche Bundesrichterin.
Frau Lötscher, Sie forschen seit Jahren auf diesem Gebiet und haben ein viel beachtetes Buch dazu geschrieben: Warum sollten wir genauer hinschauen, wenn es um unseren digitalen Nachlass geht?
Die meisten Schweizerinnen und Schweizer nutzen jeden Tag mehrere Onlinedienste: Wir schreiben E-Mails, sind auf Social Media aktiv, shoppen im Internet, bezahlen mit der Kreditkarte, speichern Fotos und Daten auf Servern ab und handeln vielleicht sogar mit Kryptos. Über die Jahre entsteht so ein komplexes Datenkonstrukt. Wenn wir sterben, leben diese Daten weiter. Ein Teil dieser Informationen ist sehr persönlich und vertraulich.
Wie sind diese gesetzlich geregelt?
Obwohl unser Erbrecht sehr detailliert ist, gibt es bis jetzt keine spezifischen Regeln zum digitalen Nachlass. Es gilt die allgemeine Grundregel, dass Rechte und Pflichten des Erblassers im Todesfall automatisch auf die Erbinnen und Erben übergehen. Die gesamte Hardware gehört mitsamt den darauf gespeicherten Daten, Fotos und Dokumenten zum Nachlass. Die Erben erben grundsätzlich auch das Recht, auf die Daten auf Cloud-Servern oder den unzähligen Benutzerkonten zuzugreifen. Sie lesen also vielleicht mit – das kann auch sehr persönliche Inhalte betreffen.
Was kann man tun, um die Kontrolle über seine Daten zu haben?
Am besten setzt man einen Vorsorgeauftrag auf und hält in einem Testament oder Erbvertrag fest, was mit den Daten geschehen soll. Im Testament kann man zum Beispiel Erben und Vermächtnisnehmer einsetzen und mit Teilungsvorschriften vorgeben, wer welche Positionen erhält, oder mit einer Auflage einzelne Erben verpflichten, Daten zu löschen oder andere Massnahmen zu treffen.
Das klingt anspruchsvoll ...
Ja, es ist nur schon anspruchsvoll, den Überblick darüber zu behalten, welche digitalen Spuren man hinterlässt. Es kann sich aber lohnen, sich diese Zeit zu nehmen und auch digitalen Bereich aufzuräumen. Sollen die Erben auf gewisse Daten zugreifen, brauchen sie eine Liste mit den Zugangsdaten. Dazu gehören auch die aktuellen Passwörter. Wichtig sind Handy, Computer und E-Mail-Konto. Die Liste gehört an einen sicheren Ort, etwa zusammen mit dem Testament. Eine solche Liste sollte man nicht auf einem Gerät aufbewahren, das ans Internet angeschlossen ist – lieber auf einem USB-Stick oder auf Papier.
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Was passiert, wenn man nichts unternimmt?
Dann läuft man Gefahr, dass Vermögenswerte verloren gehen oder die Erben nicht wissen, was sie tun sollen. Das kann zu Streit führen. Oder man nimmt in Kauf, dass Personen Dinge lesen oder sehen, denen man nicht alles anvertrauen wollte – unter Umständen gehören auch Angehörige dazu. Darum sollte man nicht nur festlegen, wer das Haus und die Wertschriften bekommt, sondern auch sein digitales Erbe rechtzeitig regeln. So kann man Probleme in der Familie vermeiden.
Zur PersonProf. Dr. iur. Cordula Lötscher ist Professorin für Privatrecht an der Universität Basel. Zusätzlich arbeitet sie nebenamtlich als Richterin am Appellationsgericht Basel-Stadt und am Bundesgericht. Sie hat in Basel und Paris Rechtswissenschaften studiert. 2021 erschien ihr Buch |