Erbengemeinschaft: Das sollten Sie wissen
Warum sollten Erbengemeinschaften so schnell als möglich aufgelöst werden? Was kann man tun, wenn sich die Erben nicht einig sind? Wie wird eine Erbengemeinschaft besteuert? Antworten auf diese und andere wichtige Fragen.
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Was ist eine Erbengemeinschaft?
Sie entsteht laut Gesetz automatisch mit dem Tod des Erblassers, wenn er nicht nur einen, sondern mehrere Erben hinterlässt. Zur Erbengemeinschaft gehören alle gesetzlichen sowie die vom Erblasser eingesetzten Erben, nicht aber Personen oder Institutionen, denen der Erblasser in seinem Testament ein Vermächtnis zugesprochen hat. Die Erbengemeinschaft bleibt solange bestehen, bis der Nachlass aufgeteilt wurde.
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Gehen Verträge des Verstorbenen auf die Erbengemeinschaft über?
Grundsätzlich ja, und zwar mit allen Rechten und Pflichten. Sie können zwar gekündigt werden, aber die vereinbarten Kündigungsfristen müssen eingehalten werden. Nur wenige Verträge erlöschen automatisch mit dem Tod.
Für die Schulden des Verstorbenen haften die Erben solidarisch. Das bedeutet, dass Gläubiger einen einzelnen Erben belangen können, der dann auf seine Miterben zurückgreifen muss.
Ab wann können die Erben über den Nachlass verfügen?
Die Erben können nur mit einem Erbschein über das Vermögen des Verstorbenen verfügen – also etwa Schulden des Erblassers bezahlen oder in seinem Namen Geld einfordern. In Bankvollmachten heisst es zwar meist, dass sie auch nach dem Tod des Vollmachtgebers in Kraft bleiben. Bei vielen Banken können bevollmächtigte Ehegatten und Nachkommen trotzdem nicht ohne Erbschein sofort und umfassend auf das Konto zugreifen. Immerhin führen die Banken Zahlungen aus, die offensichtlich im Zusammenhang mit dem Todesfall stehen, zum Beispiel die Begleichung der Begräbniskosten.
Bis ein Erbschein ausgestellt werden kann, können aufgrund gesetzlicher Fristen mehrere Monate vergehen – erst recht, wenn ein Erbe nicht auffindbar ist. Erst wenn geklärt ist, ob die Erben die Erbschaft annehmen oder ausschlagen, können sie einen Erbschein beantragen. Für diesen Entscheid kann sich jeder Erbe ab dem Zeitpunkt, ab dem er vom Tod des Erblassers erfahren hat, bis zu drei Monate Zeit lassen.
Welche Gebühren für einen Erbschein anfallen, hängt vom Kanton ab, in dem die verstorbene Person zuletzt gewohnt hat. Im Erbschein sind alle Personen aufgeführt, die erbberechtigt sind und ihr Erbe nicht ausgeschlagen haben. Er sagt jedoch noch nichts darüber aus, wie die Erbschaft verteilt werden soll.
Darf ein Erbe allein entscheiden?
Auch mit dem Erbschein in der Tasche können die Erben nicht allein, sondern nur gemeinsam über Gegenstände oder Konten der Erbschaft verfügen. Verweigert ein einziger Erbe seine Zustimmung, ist die Erbengemeinschaft nicht handlungsfähig. Er kann jeden Entscheid der Erbengemeinschaft blockieren, selbst wenn ihm nur ein kleiner Anteil am Erbe gehört. Die Miterben können dann zum Beispiel weder Liegenschaften vermieten noch Aktien verkaufen oder über das Bankkonto verfügen.
Warum sollten Erbengemeinschaften zügig aufgelöst werden?
Viele Erbengemeinschaften lassen sich nur schwer auflösen. Das kann daran liegen, dass die Familienkonstellation komplex ist oder dass sich der Nachlass nicht ohne Weiteres aufteilen lässt. Oft gehören zum Nachlassvermögen Liegenschaften, Wertschriften oder Wertgegenstände, die seit Jahrzehnten im Familienbesitz sind. Aus emotionalen Gründen fällt es den Erben schwer, das Vermögen sinnvoll aufzuteilen. Oder die Ziele und Wünsche der einzelnen Erbinnen und Erben liegen weit auseinander.
Langfristig ist eine Erbengemeinschaft allerdings keine ideale Lösung. Je länger eine Erbschaft nicht geteilt wird, desto aufwändiger und komplexer wird die Abwicklung. Stirbt zum Beispiel ein Erbe, geht sein Anteil an seine Erben über. Mit der Zeit hat man es deshalb mit einer immer grösseren Zahl von Miterben zu tun, deren Interessen möglicherweise noch unterschiedlicher sind. In so einem Fall wird es noch schwieriger, einen einstimmigen Entscheid zu treffen.
Zudem verlieren viele Erbengemeinschaft unnötig Geld, wenn sich die Erbteilung über mehrere Jahre hinzieht. Das liegt daran, dass sie die Erbschaft nicht optimal bewirtschaften – aus Desinteresse, weil sie nicht vor Ort sind oder weil sie sich nicht einig sind. Werden Wertschriftenportfolios nicht laufend überwacht und bewirtschaftet, kann ihr Wert schwinden. Empfindliche Wertverluste drohen auch bei Liegenschaften, wenn notwendige Investitionen nicht getätigt werden können.
Was kann man bei Meinungsverschiedenheiten tun?
Jedes einzelne Mitglied der Erbengemeinschaft kann jederzeit beim Gericht ein Begehren um Teilung der Erbschaft einreichen. Das Gericht macht dann einen Vorschlag. Sind die Erben nicht einverstanden, wird es die Aktiven des Nachlasses den Erben verbindlich zuweisen. Gegebenenfalls ordnet das Gericht den Zwangsverkauf der Liegenschaft beziehungsweise eine öffentliche Versteigerung an. Das ist für alle Beteiligten die schlechteste Lösung: Der Erlös ist in so einem Fall meistens deutlich geringer als bei einem normalen Verkauf. Und die Kosten für das Gerichtsverfahren können je nach Streitwert sehr hoch sein.
Besser ist es, wenn sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft auf einen professionellen Erbenvertreter einigen. Als unparteiische Fachperson kann er unter den Erben vermitteln und dazu beitragen, eine Lösung für die Erbteilung zu finden, die für alle Erben akzeptabel ist. Gleichzeitig kann er das Nachlassvermögen bis zur Erbteilung verwalten und dafür sorgen, dass es in seiner Substanz erhalten bleibt. Er überwacht zum Beispiel das Wertschriftendepot und veranlasst die Anpassung der Anlagestrategie an die Bedürfnisse und Ziele der Erben.
Die Aufgaben des Erbenvertreters lassen sich auch auf ausgewählte Bereiche einschränken, beispielsweise auf die Bewirtschaftung des Nachlassvermögens, Verhandlungen mit der Steuerverwaltung, die Schätzung und den Verkauf von Liegenschaften oder die Vorbereitung und Durchführung der Erbteilung.
Welche Steuern fallen für Erbengemeinschaften an?
Erbschaften muss man vom ersten Tag an versteuern, auch wenn man seinen Anteil erst viel später erhält. Besteuert wird nicht die Erbengemeinschaft. Vielmehr müssen die Erben das Vermögen, das am Jahresende vorhanden war, und die Erträge auf dem geerbten Vermögen seit dem Todestag anteilsmässig in ihrer Steuererklärung deklarieren. Dieser Betrag entspricht dem Reinvermögen des Erblassers, multipliziert mit ihrer Erbquote.
Zuerst muss die Erbengemeinschaft aber eine Steuererklärung per Todestag der verstorbenen Person ausfüllen. Diese Steuererklärung müssen die Erben zusammen mit einem Steuerinventar des Verstorbenen einreichen.
Sogar ein Erbverzicht kann steuerliche Konsequenzen haben. Zwar müssen der Ehepartner und in den meisten Kantonen auch die direkten Nachkommen keine Erbschaftssteuern zahlen. Verzichten aber zum Beispiel die Kinder im Rahmen der Erbteilung zugunsten des überlebenden Elternteils auf ihren Anteil am Nachlass, liegt aus Sicht der Steuerbehörden unter Umständen eine sogenannte Querschenkung vor, die hohe Steuern auslösen kann.
Nicht selten kommt nach dem Tod Vermögen zum Vorschein, das der Verstorbene nie versteuert hat. Deklarieren die Erben dieses Geld im Steuerinventar, müssen sie nur die Steuern nachträglich zahlen, die in den letzten drei Jahren auf dem unversteuerten Vermögen angefallen wären. Verschweigen sie das Schwarzgeld und erfahren die Steuerbehörden später trotzdem davon, wird zusätzlich zu den Nachsteuern eine Busse von bis zu 50’000 Franken fällig.