Praxisbeispiel: Verkauf der Firma an Dritte
Erfahren Sie in diesem Beispiel aus der VZ-Beratungspraxis, welche Herausforderungen ein Industriebetrieb bei der Nachfolgeplanung meistern musste. Und warum der Verkauf an einen strategischen Käufer in diesem Fall die bessere Option war als ein Management-Buy-in.
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Die Ausgangslage
Die beiden Inhaber dieses Industriebetriebs sind zu je 50 Prozent an der Firma beteiligt. Sie haben den Betrieb vor 15 Jahren gekauft und seitdem erfolgreich geführt. Die Firma beschäftigt 60 Mitarbeitende und ist die grösste Arbeitgeberin in der Region.
Der Altersunterschied zwischen den Inhabern ist gross. Der Ältere ist 61 Jahre alt und möchte vorzeitig in Pension zugehen. Der jüngere Inhaber ist erst 52 – für ihn ist die Pensionierung noch kein Thema. Die Firma verfügt über eine grosse Liegenschaft und sehr viel Liquidität – die Bilanz ist "schwer". Eine zusätzliche Hürde ist der starke Franken.
Die Zielsetzung
Ziel des älteren Mitinhabers ist es, seine Aktien bald zu verkaufen. Der Jüngere eignet sich aber nicht als Käufer. Er hat sich auf die Produktion, den Einkauf und Verkauf spezialisiert. Für die personelle und betriebswirtschaftliche Führung kann und will er keine Verantwortung übernehmen.
Eine familieninterne Weitergabe ist auch keine Option. Die Kinder sind zu jung oder nicht interessiert. Zudem gibt es in der Firma keine Kandidaten für ein Management-Buy-out (MBO). Deshalb kommt nur der Verkauf an Dritte in Frage.
Die Inhaber beauftragen den Experten des VZ VermögensZentrums, den gesamten Prozess als Projektleiter zu begleiten – von der Auslegeordnung über die Bewertung bis zum Verkauf.
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Emotionen und Zeitdruck
Die Suche nach einem Käufer kann mühsam sein. Nicht immer findet sich ein passender Kandidat. Dieses Problem hat sich für den Industriebetrieb durch den starken Franken zusätzlich verschärft.
Spätestens in drei Jahren will der ältere Inhaber in Pension gehen. Der jüngere ist darauf angewiesen, noch einige Jahre arbeitstätig zu sein. Seine Sorge ist, dass er im künftigen Firmenkonstrukt keine angemessene Funktion erhält. Beide wollen das vermeiden. Der jüngere Mitinhaber soll künftig für Kontinuität und Stabilität sorgen.
Nicht zuletzt hat das Überleben der Firma eine volkswirtschaftliche Komponente. Sie ist die grösste Arbeitgeberin in der Region. Diese Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben.
Schwere Bilanz
Die Experten des VZ machen eine Auslegeordnung und analysieren alle Chancen und Risiken des Verkaufs. Gleichzeitig kümmern sie sich um die finanziellen und emotionalen Erwartungen der beiden Inhaber.
Sie bewerten den Betrieb mit mehreren Methoden. Diese Analysen helfen, die effektive Ertrags- und Kapitalsituation des Industriebetriebs zu kennen und die nicht betriebsnotwendigen Vermögensteile zu identifizieren. Auch sind sie die Basis, um eine realistische Verkaufsbandbreite herzuleiten und so ein gemeinsames Verständnis zu schaffen.
Die Analyse zeigt, dass die Bilanz der Firma sehr "schwer" ist. Neben einer riesigen Immobilie verfügt sie über ein umfangreiches Materiallager und viel Liquidität. Allein auf der Immobilie und dem Lager schlummern stille Reserven in der Höhe von einigen Millionen Franken.
Zwar ist das ein Zeichen dafür, dass die Industriefirma gut gewirtschaftet hat; Unternehmer bauen regelmässig stille Reserven auf, weil sie so weniger Gewinnsteuern zahlen.
Diese Reserven können den Verkauf und somit die Finanzierbarkeit aber erheblich erschweren. Grund sind die latenten Steuern, die darauf lasten. Diese sind nur aufgeschoben. Und ein Käufer wird solche Steuern nur übernehmen, wenn er den Kaufpreis entsprechend drücken kann.
Käufergruppen definieren
Die Inhaber und die Experten des VZ prüfen zusammen, welche externen Käufer in Frage kommen. Möglich wäre ein Asset Deal, bei dem nur einzelne Bestandteile verkauft werden.
Ein Steuer-Ruling mit der Finanzbehörde zeigt aber: Aus steuerlichen Gründen ist ein Verkauf mitsamt der Liegenschaft klar zu bevorzugen. Das macht die Suche aber viel schwieriger. Das Ausschlussverfahren zeigt denn auch, dass nur zwei Lösungen passen:
Management-Buy-in: Die Firma wird an eine motivierte und solvente Privatperson verkauft. Der Knackpunkt ist aber die grosse Substanz – die Firma könnte viel zu teuer sein.
Verkauf an einen strategischen Käufer: Das wäre ideal. Grund sind die bestens ausgebaute Infrastruktur und die grosse Liegenschaft, die bei Weitem nicht ausgenutzt werden. Ein solcher Käufer könnte Synergien nutzen und so die Produktivität und die Ertragskraft steigern.
Informationen bereitstellen
Die Experten des VZ erstellen eine umfassende Verkaufsdokumentation. Bei einem Verkauf an Aussenstehende ist der Bedarf an Auskünften besonders gross. Die Dokumentation zeigt die effektiven Finanzzahlen, also auch die "schwere" Bilanz. Gleichzeitig enthält sie eine «leichtere» Bilanz, die optimiert ist, weil sie etwa um die nicht betriebsnotwendigen Mittel bereinigt wurde.
Die Unterlagen machen sichtbar, dass die ausgewiesenen Gewinne in den letzten Jahren effektiv viel höher ausgefallen wären, wenn die Inhaber nicht durch enorm hohe Abschreibungen die Gewinne aus steuerlichen Überlegungen reduziert hätten. So erkennen Interessenten schneller, welche Vermögenswerte sie übernehmen oder wie rasch sie den Kaufpreis durch Gewinne amortisieren können.
Die schwierige Suche nach einem Käufer
Die Branche leidet unter dem starken Franken. Würden sich in den nächsten Jahren überhaupt noch Interessenten für einen solchen Betrieb finden?
Um geeignete Käufer zu finden, müssen die Experten den Markt sehr gut kennen. Sie aktivieren ihr Netzwerk und tauschen sich mit Investoren und Finanzierungspartnern aus. Zusätzlich schreiben sie den Betrieb anonymisiert auf den geeigneten Plattformen aus. Vertraulichkeit und Diskretion haben dabei oberste Priorität. Dringen heikle Informationen an die Öffentlichkeit, kann das grossen Schaden anrichten.
Insgesamt führen die Experten über hundert Gespräche mit potenziellen Käufern aus dem In- und Ausland – dies mit unterschiedlichem Vertiefungsgrad. Parallel dazu prüfen sie weiterhin die mögliche Abspaltung der Liegenschaft oder den Verkauf der operativen Gesellschaft im Rahmen eines Asset Deals.
Die richtige Entscheidung treffen
Nach intensiver Suche finden die Experten schliesslich zwei potenzielle Kandidaten: eine zahlungskräftige Privatperson und ein strategischer Käufer in Form einer operativen Industrieholding. Mit beiden werden die Gespräche vertieft.
Der Austausch zeigt, dass die Industrieholding geeigneter ist. Einige Gründe sprechen dafür. Zum Beispiel die persönliche Übereinstimmung und das Vertrauen – mit dem Geschäftsführer der Industrieholding verstehen sich die beiden Inhaber des Metallbetriebs einfach besser. Ein Pluspunkt ist auch die vorteilhafte Finanzierungsstruktur, die sich aus diesem Zusammenschluss ergeben könnte.
Nicht zuletzt könnte die Industrieholding die bestehende Infrastruktur und die grosse Liegenschaft effizienter nutzen und so die Marge steigern. Möglich wären Mehraufträge von rund fünf Prozent des Jahresumsatzes. In der Summe profitieren so alle Gesellschaften innerhalb der Holding. Mit einem Verkauf an eine Privatperson liessen sich solche Synergien nicht nutzen.
Firma übertragen
Die Überführung des Industriebetriebs in die operative Industrieholding ist kompliziert. Sie ist zum Beispiel mit der Erhöhung der bestehenden Hypothek sowie mit mehreren Darlehensübertragungen verbunden, die zur Finanzierung des Kaufpreises dienen. Diese Transaktionen sind für den Käufer vorteilhafter als ein Akquisitionsdarlehen der Bank. Allerdings muss man die Steuerfolgen sorgfältig prüfen, weshalb ein ausgedehntes "Steuer-Ruling" nötig war.
Was die beiden Inhaber betrifft: Sie übertragen ihren Aktienanteil von je 50 Prozent per sofort an die Holding; der jüngere Inhaber beteiligt sich gleichzeitig mit 30 Prozent an der Käuferholding. Dieser Wert kann künftig grösser oder kleiner werden, je nachdem, wie sich der Betrieb entwickelt. Der Jüngere hat es so in der Hand, die Wertentwicklung der Firma weiterhin positiv zu beeinflussen.
Wie gehabt wird der jüngere Inhaber das Kerngeschäft operativ führen. Auch bleibt er im Verwaltungsrat der neuen Firma. Anders als früher ist er jetzt Minderheitsaktionär. Allerdings vereinbart er mit der Industrieholding verschiedene Minderheitenschutzrechte im Aktionärsbindungsvertrag.
Das sagt der Experte
"Dieser Fall war technisch herausfordernd und für mich umso spannender. Er zeigt, dass es keine Standardlösungen gibt, wenn man seine Firma an Dritte verkauft", sagt der bei diesem Projekt federführende Nachfolgeexperte Marco Tunesi vom VZ.
Für den Industriebetrieb sei die Nachfolge sehr intensiv gewesen. "Zeitlich ging der Prozess gerade noch mit der ordentlichen Pensionierung des älteren Inhabers auf", so Tunesi. Oft dauere ein Verkauf aber länger – oder er scheitere daran, dass man keinen passenden Käufer findet.
Marco Tunesi rät Unternehmerinnen und Unternehmern: "Holen Sie sich Unterstützung, wenn Sie Ihre Firma verkaufen. Fachleute haben ein grosses Netzwerk und tauschen sich laufend mit Investoren und Finanzierungspartnern aus. Und bei Bedarf können Sie auch neue Käufergruppen erschliessen."